Veranstaltung: | LDV Andernach |
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Tagesordnungspunkt: | 6. Gesundes Essen |
Antragsteller*in: | Landesvorstand, Ulrike Höfken (KV Bitburg-Prüm), Dietmar Johnen (KV Vulkaneifel), Andreas Hartenfels (KV Kusel), Kerstin Ramm (KV Mainz-Bingen), Elias Weinacht (KV Rhein-Pfalz) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 08.11.2017, 12:19 |
E-1NEU: Gutes Essen für Alle von Anfang an
Antragstext
Nachhaltige und gesunde Ernährung sind so gefragt wie noch nie
Knapp 20 % der Menschen und der größte Teil aller Kinder und Jugendlichen essen
regelmäßig in Mensen, Kantinen, Senioren- und Pflegeheimen, in Krankenhäusern,
aber auch in der Gastronomie und Hotellerie. Der Anteil der Haushalte, die
regelmäßig kochen, geht zurück. Gleichzeitig wächst die Nachfrage nach
biologisch, tiergerecht und in der Region erzeugten Lebensmitteln. So geben 50%
der Menschen an, dass sie mehr regionale Produkte wünschen und 76 % der
Deutschen kaufen Biolebensmittel zumindest gelegentlich, fast 70% würden
Bioangebote in der Gemeinschaftsverpflegung bevorzugen.
Mit unserem Lebensstil können wir als Verbraucher*innen einen wichtigen Beitrag
zum Klimaschutz leisten, denn die Ernährung spielt dabei eine große Rolle: in
Deutschland entfallen auf die Ernährung etwa 25 % aller Treibhausgase. Fast die
Hälfte davon entsteht bei der Erzeugung tierischer Lebensmittel. In unserem
durchschnittlichen Warenkorb sind Fleisch und Milchprodukte für fast 70 % der
Treibhausgase verantwortlich. Obwohl sie nur 13 % der pro Person konsumierten
Lebensmittelmenge umfassen, verursachen Fleisch und Fleischerzeugnisse etwa 40 %
der ernährungsbedingten Treibhausgase. Unseren CO2–Fußabdruck können wir durch
eine klimafreundliche Ernährung deutlich verringern: vor allem mit weniger
tierischen Lebensmitteln und außerdem mit mehr ökologisch, regional und saisonal
erzeugtem sowie frisch zubereitetem Essen.
Im Gesundheitswesen wird heute ein Drittel aller Kosten, über 100 Milliarden
Euro, für die Folgen von Fehlernährung ausgegeben. 90% der Diabetes-
Erkrankungen, ein Großteil der Herzinfarkte und der Schlaganfälle, aber auch
Vorerkrankungen wie Bluthochdruck können mit einer guten Ernährung vermieden
werden.
Wir Grüne in Rheinland-Pfalz haben uns seit 2011 auf den Weg gemacht, die
Versorgung mit biologisch und regional erzeugten guten Lebensmitteln in unserem
Land, insbesondere in der Gemeinschaftsverpflegung und hier in den Kitas und
Schulen, deutlich zu verbessern.
Grüne schaffen gute Rahmenbedingungen für gesunde Ernährung in Rheinland-Pfalz -
gerade für unsere Jüngsten
In Rheinland-Pfalz existieren unter der Dachmarke „Rheinland-Pfalz isst besser“
über 20 Programme zur Verbesserung der Ernährungssituation der rheinland-
pfälzischen Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen. Der eigens durch unser Grünes
Ernährungsministerium eingerichtete und erfolgreich durch das Land tourende
Kochbus hat seit 2013 schätzungsweise ca. 20 000 Kinder, Jugendliche und
Verbraucher*innen erreicht.
2014 hat das Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten einen
Qualifizierungsprozess gestartet, um Schulen in drei Stufen zum
Qualitätsstandard der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zu führen. An
diesem Prozess haben bisher knapp 130 Schulen teilgenommen: sie haben sich so
auf den Weg gemacht, qualitativ hochwertiges, frisches und gesundes Essen für
die Schüler*innen anzubieten. Seit diesem Jahr wird das Projekt auf Kitas
ausgeweitet. Dort gibt es viel zu tun, denn: die Ernährungskultur im
Erwachsenenalter wird in der Kindheit geprägt. Zu den Bausteinen des Programms
zählen: das Coaching-Projekt „Kita isst besser“, das EU-Schulobstprogramm, die
Vernetzungsstelle Kita-Verpflegung, die Fortbildungen für Kita-
Hauswirtschaftskräfte und eine Hotline für die Träger.
Zu einem guten Start ins Leben gehört aber auch Wissen über gesunde Ernährung.
Werbung und die allgegenwärtigen Fertigprodukte haben dafür gesorgt, dass viele
Kinder und Jugendliche keine Ahnung haben, welche Lebensmittel wann Saison haben
und wie sich vollwertiges Essen zusammensetzt. Auch in den Familien wird nicht
mehr so regelmäßig gekocht wie früher. Das hängt mit der veränderten Arbeitswelt
und den verlängerten Schultagen zusammen. Umso wichtiger ist es, das Thema
Ernährung in vorschulische und schulische Bildung zu integrieren. Das gelingt
mit der Förderung von Kita- und Schulgärten, Schulprojekten (bspw. „Was ist uns
unser Essen wert?“) und Unterrichtsreihen (bspw. „ABC der Lebensmittel“). Über
40 Schulen haben bereits einen Schulgarten oder haben sich auf den Weg dahin
gemacht. Außerdem besuchen Praktiker*innen der Grünen Berufe Ganztagsschulen -
im Gegenzug besuchen Schüler*innen den „Lernort Bauernhof“ und bekommen einen
Bezug zur regionalen und bäuerlichen Landwirtschaft.
Mit „Gut versorgt ins Alter“ hat das Land auch eine Qualitätsoffensive für die
Gemeinschaftsverpflegung in Pflege- und Seniorenheimen gestartet. Und die
Verbraucherzentrale leistet mit ihren vom Land unterstützten Angeboten einen
Beitrag für eine bessere Ernährung in Rheinland-Pfalz. Seit dem 2017 fördert das
Ernährungsministerium außerdem Lebensmittel-Infoblätter für die Tafeln und eine
Ferienkochschule für Betreuerinnen und Betreuer, um möglichst allen Menschen die
besten Voraussetzungen für eine vollwertige und regionale Ernährung zu
ermöglichen.
Bei Kindern nimmt Übergewicht weiter zu: So waren laut Schuleingangsuntersuchung
in Rheinland-Pfalz 2014/2015 9,9 % der Kinder übergewichtig (2013/2014: 8,9 %),
davon 5,0 % sogar krankhaft übergewichtig. Nicht nur wird die Leistungsfähigkeit
negativ beeinflusst, die Kinder leiden auch vielfach unter Hänseleien. Und: aus
dicken Kindern werden oft dicke Erwachsene mit daraus resultierenden
lebensbedrohlichen Krankheiten. Über 100 Bewegungskitas gehen das Problem dabei
an der Wurzel an: sie verbessern die Bewegungssituation der Kinder, werden durch
das Land beraten und bilden ein Netzwerk, in dem sich Kitas untereinander bei
Maßnahmen unterstützen. Über das Programm „Kita!Plus: Kita im Sozialraum“ führen
rund die Hälfte der geförderten Kitas in Wohngebieten mit besonderem
Entwicklungsbedarf Maßnahmen zur gesunden Ernährung durch.
Alle diese Maßnahmen fördern insbesondere diejenigen in unserer Gesellschaft,
die es am dringendsten brauchen. Denn gerade bei Kindern, die von Armut
gefährdet oder betroffen sind, reicht das Familieneinkommen oft nicht für eine
ausgewogene, abwechslungsreiche und ausreichende Ernährung aus. Hier ist ein
gesundes Angebot in Kitas und Schulen unerlässlich.
Nachfrage bedienen: Mehr Bio und Regio auf den Tisch
Dank Grüner Regierungsbeteiligung hat sich in Rheinland-Pfalz seit 2011 die
ökologisch bewirtschaftete landwirtschaftliche Nutzfläche mehr als verdoppelt.
Mittelfristig wollen wir mit Hilfe eines Ökoaktionsplans den Anteil auf 20 %
steigern. Das hilft der rheinland-pfälzischen Bio-Qualitätsbranche. Bio schafft
Arbeit, ist gut für die Umwelt, das Klima und die Gesundheit. Der
Selbstversorgungsgrad bei Biogemüse aus Rheinland-Pfalz liegt derzeit aber noch
immer bei nur 25 %.
Die Rohstoffe in der Gemeinschaftsverpflegung stammen überwiegend aus
industriellen Herstellungs- und Verarbeitungsprozessen. Zur Steigerung des
Angebots und der Nachfrage von biologisch und regional erzeugten Produkten für
und durch die Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung wie den Kitas und
Schulen wollen wir die Vernetzung der regionalen Erzeugerverbünde, der
Verarbeiter, insbesondere der Betriebe der handwerklichen
Lebensmittelverarbeitung und der regionalen (Direkt-)Vermarkter stärken. So
können dann regionale und ökologische Produkte in unseren Kantinen Eingang
finden.
Transparenz für mündige Verbraucher*innen
Wichtig sind klare gesetzlich definierte Kennzeichnungssysteme, damit die
Verbraucher*innen echte Regionalität, gute Qualität und ökologische Erzeugung
erkennen können. Deshalb brauchen wir eine glaubwürdige einfache
Regionalkennzeichnung von Lebensmitteln wie auch die Zertifizierungsmöglichkeit
für Regional- und Dachmarken.
Die oft vermissten Verbraucher-Informationen wie zum Beispiel die Kennzeichnung
der Haltungssysteme auf Fleisch und verarbeiteten Eierprodukten und die
Kennzeichnung von Lebensmitteln, in denen Futtermittel aus genetisch veränderten
Pflanzen verwendet wurden, müssen einfach verständlich sein. Dies schafft
Vertrauen bei den Verbraucher*innen und schützt die Wirtschaftsbeteiligten der
regionalen Lebensmittelkette vor Imageschäden durch Täuschung und Betrug.
Überdies ist eine einfach verständliche Kennzeichnung der
Lebensmittelinhaltsstoffe überfällig. Niemand will mit der Lupe einkaufen gehen
und die irreführenden Bezeichnungen für bspw. zuckerhaltige Inhaltsstoffe oder
tierische Bestandteile erst recherchieren.
Wir Grüne setzen uns für die nachfolgenden Punkte ein und unterstützen die
Landesregierung in deren Durchsetzung:
Für eine Verbesserung der Ernährung in Kitas und Schulen
durch die strukturelle Verankerung der Ernährungsbildung, die Einbindung
der Gesundheitsämter und systematische Information der Betreuer*innen,
Pädagog*innen und Träger über Möglichkeiten der Förderung
durch die schnellstmögliche Einführung eines flächendeckenden
Mittagessenangebots gemäß den Qualitätsstandards der Deutschen
Gesellschaft für Ernährung (DGE)und Unterstützung von Frischküchen. Dies
soll in Form von lokalen Runden Tischen mit den Trägern und
Verpflegungsanbietern vorangetrieben werden.
durch eine stärkere Förderung der DGE-Sterne-Zertifizierung
durch den Ausbau des Anteils regionaler Lebensmittel auf 50 % und
ökologisch erzeugter Lebensmittel auf 30 % im Verpflegungsangebot
durch Schulungen von Köch*innen, Hauswirtschafter*innen und anderen damit
befassten Personen in Umgang und Praxis mit frischen, regionalen,
ökologischen und vollwertigen Produkten
durch eine Reform der Ausbildung von Köch*innen und Hauswirtschafter*innen
durch die Unterstützung lokaler Infoveranstaltungen mit
Ernährungswissenschaftler*innen, Ärzt*innen, den Trägern, Eltern- und
Schülervertretungen, Anbieter*innen, Schul/-
Kitaverpflegungsvernetzungsstelle und Küchenbetreiber*innen
durch eine verstärkte Förderung des ehrenamtlichen Engagements von
Landfrauen, Eltern und anderen Akteur*innen, die in der Ernährungsbildung
tätig sind.
durch eine verstärkte Bewegungsförderung in den Schulen unter Einbezug der
Daten aus den Schuleingangsuntersuchungen
Für mehr Verbraucherrechte und klare Entscheidungsmöglichkeiten soll sich die
Landesregierung auf Bundes- bzw. EU-Ebene einsetzen:
durch eine transparente und eindeutige Kennzeichnung von Herkunft und
Herstellungsweise. Verbraucher*innen müssen einfach erkennen können, wo
ein Lebensmittel produziert wurde, ob tierische Bestandteile enthalten
sind und, falls ja, wie die Tiere gehalten wurden
durch die Ausweitung der gut verständlichen Eierkennzeichnung auf alle
Produkte, die Eier enthalten
durch bessere Rahmenbedingungen für eine klare Regionalkennzeichnung und
eine verlässliche Zertifizierungsmöglichkeit für Regional- und Dachmarken
durch eine Lebensmittel-Ampel, mit der zucker-, salz- und fettreiche
Nahrungsmittel und Getränke transparent und standardisiert gekennzeichnet
werden
durch die Stärkung des gesundheitlichen Verbraucherschutzes
Für die Verbesserung der regionalen Wertschöpfung und die Förderung ökologisch
erzeugter Lebensmittel setzen wir uns ein:
durch die Unterstützung von Projekten und Initiativen in Rheinland-Pfalz,
die regionale Wertschöpfungsketten stärken. Das betrifft sowohl die
Erzeugung als auch die Verarbeitung, das Ernährungshandwerk und den Handel
durch eine zielgerichtete Förderung von regionalen Erzeugergemeinschaften
und Dachmarken in Landwirtschaft und Weinbau
durch Entbürokratisierung und Reduzierung der Lebensmittel- und
Hygienevorschriften auf die tatsächlichen Notwendigkeiten des
Gesundheitsschutzes
durch Maßnahmen des Ökoaktionsplans, der derzeit durch das Grüne
Umweltministerium erarbeitet wird
durch die Unterstützung der rheinland-pfälzischen Kommunen für den
Beitritt in das Netzwerk deutscher Biostädte (Bio-Kommunen)
durch die Einbeziehung des Ernährungsbereiches in den kommunalen
Klimaschutz
Auf kommunaler und regionaler Ebene setzen sich GRÜNE des Weiteren ein für:
die verstärkte Nutzung der Möglichkeiten der Umweltbildung und der Bildung
für nachhaltige Entwicklung in unseren Kommunen
die Teilnahme an der Initiative "Rheinland-Pfalz isst besser" und der
Förderungen im Bereich Ernährung
die Umsetzung von Präventionsprojekten durch die Krankenkassen im Bereich
Ernährung
die Bewertung und weitere Verbesserung der Verpflegungssituation an
unseren Kitas, Schulen und Senioren-Einrichtungen.
die Erhaltung und Schaffung von Frischküchen.
die Einrichtung und Unterstützung von Kita-, Schul-, Generations-,
Integrations-Gärten und Bienen-Schulungen
die Unterstützung von sozialen Projekten, Tafeln sowie Generations- und
Integrationsprojekten zu den Themen Ernährung und Verbraucherschutz
Begründung
erfolgt mündlich.
Die im ersten Absatz genannten Zahlen stammen aus dem Ökobarometer 2017 sowie von der Seite www.marktforschung.de/nachrichten/marktforschung/gfk-consumer-index-praeferenz-fuer-regionale-produkte/
In diese überarbeitete Fassung des Antrages wurden die Änderungsanträge E-1-001, E-1-035, E-1-137, E-1-138 sowie redaktionelle Änderungen von den Antragssteller*innen übernommen.
Kommentare
Bernd Winter:
Kann man in dieser ausgezeichneten Form nur befürworten!Endlich !!!!